Text Sonja Murczek
Foto TU Wien
Abfall aufwerten
Wie Abfall zu nachhaltigem und multifunktionalem Werkstoff verarbeitet werden kann, wird im Christian Doppler Labor „Woodcomp 3D“ erforscht.
Das Thema Nachhaltigkeit und nachhaltig wirtschaften, leben oder arbeiten gehört zu den wichtigsten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Die Forschung ist gefragt, innovative und nachhaltige Materialien zu entwickeln. An der TU Wien beschäftigen sich verschiedene Forscher*innen-Teams in zahlreichen Projekten mit diesen Herausforderungen. In einem dieser Projekte werden Holzabfälle zu Biokomposit verarbeitet.
Im Oktober 2023 eröffneten Christian Doppler (CD) Labors „Woodcomp 3D“. Dort werden Strategien und Verfahren entwickelt, mit denen in Sägewerken anfallende Holzabfälle wie beispielsweise Sägespäne, Sägemehl oder Rinde zu einem hochwertigen Material weiterverarbeitet werden können. Eine wahre Revolution in der Holzverarbeitung, denn bei den derzeitigen Verfahren wird ungefähr eine Ausbeute von etwa 50 % geliefert, die durch weitere Verarbeitungsschritte bis zur fertigen Konstruktion noch weiter herabgesetzt wird. „Die Ausbeute an nachhaltigen Tragstrukturen könnte verdoppelt werden, ohne zusätzliche natürliche Ressourcen zu verbrauchen“, hebt Markus Lukacevic, Leiter des CD-Labors „Woodcomp 3D“, die ökologische und wirtschaftliche Relevanz von holzbasiertem Biokomposit hervor.
Außerdem wird ein Großteil der Holzschnitzel, wie sie beim Zersägen von Baumstämmen entstehen, verbrannt, wodurch das in ihnen durch Fotosynthese gebundene CO2 wieder freigesetzt wird. Doch auch dieses vermeintliche Abfallprodukt lässt sich, ähnlich wie Holz, weiterverwerten. Denn wie Markus Lukacevic weiß, ist die Holzstruktur auch in diesen kleinen Holzstücken vollständig intakt: „Die kleinsten Bausteine, die für die Eigenschaften von Holz verantwortlich sind, bleiben bei diesem Verarbeitungsschritt erhalten. Sie sorgen für die Stabilität und Belastbarkeit trotz des geringen Gewichts von Holz.“
Ziel von Markus Lukacevic und seinem Team ist es daher, diese Bausteine auf nachhaltige Weise wieder zu makroskopischen Tragstrukturen zusammenzusetzen.
„Das gewonnene Lignocellulose-Netzwerk kann mittels formgebender oder sogar
additiver Herstellungsprozesse miteinander zu neuen Baustoffen verbunden werden“
erklärt Lukacevic. Mit diesem Verfahren soll ein ähnliches Wertschöpfungsniveau erreicht werden wie bei primären Holzprodukten. Das Endprodukt besteht dabei weiterhin zu 100 % aus Holz, denn die hier verwendeten Bindemittel wie beispielsweise Lignin werden ebenfalls aus Holzabfällen gewonnen.
An dem „Biokomposit-Projekt“ arbeiten von der TU Wien drei Institute von zwei Fakultäten interdisziplinär zusammen. Neben dem Institut für Mechanik der Werkstoffe und Strukturen sind auch die Institute für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und technische Biowissenschaften und Materialchemie beteiligt. Weitere Unterstützung erfolgt durch den Industriepartner HS Timber Group. „Durch die gezielte simulations- und informationsgetriebene Materialentwicklung wird die Herstellung eines Biokomposits der nächsten Generation und seine anschließende Anwendung in fortschrittlichen Fertigungsverfahren ermöglicht“, resümiert Markus Lukacevic.